Wer gedacht hat, mit dem langsam beginnenden Herbstwetter wäre es auch vorbei mit heiß und schweißtreibend, der hat die Rechnung ohne Kylie Minogue und Olivia Rodrigo gemacht. Was die beiden Damen auf der jeweils entgegengesetzten Seite der Alterspop-Pyramide abliefern, hat nämlich echtes Dancefloor- und Partypotenzial. Gut, dass es für den Chill-Out auch etwas ruhiger werden darf. Mit Songpoetin Julia Engelmann etwa, mit Soundtüftler James Blake und mit den 30 Seconds To Mars, die das Ende der Welt nicht nur mit harten, sondern auch zurückgenommen hymnischen Klängen begehen dürfen. Ob schlageresk mit Fantasy oder kindertauglich mit den Giraffenaffen – unsere Septembertipps schicken Sie jedenfalls gut gelaunt in die Urlaubsverlängerung. Es wird noch einmal heiß …
Abgebrochenes Studium, Poetry-Slam, Sprachverliebtheit. Klingt nicht gerade nach dem Erfolgsrezept für eine große Karriere, oder? Außer natürlich, man wird mit seinem Slam-Auftritt und 14 Millionen Youtube-Views (!!) zur viralen Sensation, um die sich zunächst die Buchverlage und schließlich auch die Plattenlabel reißen. Julia Engelmann hat es geschafft und seit 2014 sage und schreibe sieben (!!) Erfolgsbücher, zwei davon an der Spitze der Bestsellerlisten, veröffentlicht. Außerdem ein musikalisches „Poesiealbum“, das ebenfalls bis in die Top-Ten vordringen konnte. Jetzt endlich folgt sie wieder ihrem „Bauchgefühl. Und das heißt nicht nur Live-Termine, Buchveröffentlichung und eigener Podcast, sondern mit „Splitter“ auch ein neues Album mit 17 Songs voll anrührender Lyrik.
Man darf bei Songs wie dem aktuellen „vampire” durchaus auch an Billie Eilish denken, wenn man die 20jährige Olivia Rodrigo schmachten hört. Vor zwei Jahren gelang der jungen Sängerin mit „drivers license“ samt zugehörigem Album „SOUR“ auch international der Durchbruch mit kraftvollem Alternative-Pop, jetzt arbeitet sie sich weiter an toxischen Beziehungen und dem Leben als junge Frau in schwierigen Zeiten ab. Was möglicherweise auch ein Grund dafür ist, dass „GUTS“ in seiner Gesamtheit etwas aggressiver und rockiger ausgefallen ist. Zusammen mit ihrem Produzenten Daniel Nigro arbeitet sie so weiter an ihrer Emanzipation vom jungen „Gör“ hin zur selbstbewussten Frau, deren Bauchgefühl in den titelgebenden „GUTS“ und einem Dutzend neuen Songs seinen Ausdruck findet.
Soundtrackarbeit für u. a. den jüngsten „Spider-Man“-Hit, Kollabos mit u a. A$AP Rocky, Beyoncé, Frank Ocean und Kendrick Lamar und Preise wie den Mercury Prize oder den Grammy für die „Best Rap Performance“. James Blake tanzt auf ziemlich allen Hochzeiten seinen eklektischen Mix aus Elektronik, Songwritertum und HipHop-Beats. Auch auf seinem mittlerweile sechsten Album „Playing Robots Into Heaven“, dem er bereits den Ragga-Rap-lastigen „Big Hammer“ vorausgeschickt hat. Auch der Rest des Albums sieht ihn wieder stärker mit seinen elektronischen Wurzeln kokettieren. Irgendwo zwischen Robotern eben und seinem oft himmlisch-sphärischen Gesang, auf den wir bei der Auftakt-Single noch verzichten mussten. Stark!
Wo die beliebte „Unter meinem Bett“-Reihe deutsche Alternative-Künstlerinnen und Künstler meist eigenes Material performen lässt, da schicken die „Giraffenaffen“ echte Hits und die deutsche Pop-Elite ins Rennen. Womit u.a. auch das Kinderhilfswerk „Die Arche“ unterstützt werden soll. Also finden sich hier Rapper wie Eko Fresh („Schön ist es auf der Welt zu sein“) und die Antilopengang um Danger an („Heidi“), neben deutschem Popadel wie JULI („Das kleine Küken piept“), Michael Schulte („Dir gehört mein Herz“) und Leslie Clio („Warum bin ich so fröhlich“). Und das Ganze ist so ansteckend gut gelaunt, dass bald nicht nur die ganze Affenband brüllt, sondern auch die halbe Kinderschar begeistert mitsingt.
Freud und Leid liegen nah beieinander, vor allem bei einer „Emo“-Persönlichkeit wie Jared Leto, der für seine Exzentrik ebenso bekannt ist wie für eindrucksvolle Darstellerleistungen und seine Musik. Über fünf Jahre ist es her, dass er mit seinem Bruder und 30 Seconds To Mars „America“ besang und damit die Spitzen der Charts erklomm. Und trotzdem naht jetzt offensichtlich die Apokalypse – ausgedrückt im Albumtitel „It’s the End oft the World and it’s a Beautiful Day“ sowie dem Artwork, das zwischen blauem Himmel und jüngstem Gericht auch noch ein „This Is Not Real“ platziert. Musikalisch findet das ebenfalls seinen Ausdruck zwischen optimistischem Vorwärtsdrang („Get Up Kid“, „Life Is Beautiful“) und düsteren Vorahnungen („Stuck“), insgesamt aber vor allem in einem hymnischen Grundcharakter, der 30STM den nächsten hohen Chartentry bescheren dürfte.
Es ist längst nicht das erste Mal, dass das nordrhein-westfälische Schlagerduo um Martin Marcell und Freddy März ein „Best of“ seiner größten Hits veröffentlicht. Schließlich machen die beiden mittlerweile seit rund 25 Jahren Musik. Weshalb es bereits zum 20. Bandjubiläum (und einige Male mehr) „Das Beste“ von Fantasy zu hören gab. Wobei das ja immer ein bisschen relativ ist. Vor allem dann, wenn sich das dargebotene Material oft nur marginal voneinander unterscheidet. Nachdem die beiden bereits Anfang des Jahres mit „Mitten im Feuer“ ihr fünftes Nummer-1-Album feiern durften, legen sie zum runden 25 und weil ja bald auch Weihnachten ist ihr nächstes „Das Beste“ mit 20 ihrer größten Hits vor. Überschneidungen mit früheren „Das Beste“-Alben nicht ausgeschlossen, allerdings allesamt in – so verspricht es das Label – neuem Sound.
Die Frau ist unglaubliche 55 Jahre jung. Und seit 1986 aus der modernen Popkultur nicht mehr wegzudenken. Erst als „Neighbour“, dann als Stock-Aitken-Waterman-Sternchen, schließlich als anerkannter und umjubelter Popstar, den wirklich niemand mehr aus seinem Kopf zu bekommen scheint. Ihr gelingt das, was Madonna verwehrt zu bleiben scheint: Die Australierin bewahrt sich ihre Jugendlichkeit. Ohne allzu viele Filter, dafür mit einem Gespür davon, was auf den Tanzflächen dieser Welt gerade angesagt ist. Ganz viel „Padam, Padam“ nämlich, offenbar nie versiegender Sex-Appeal und eben ganz viel klassischer „Disco“-Spirit, der irgendwo zwischen ABBA, Boney M. und moderner House-Derivaten sofort in Kopf und Beine fährt. So darf sich auch die nächsten zehn bis 15 Jahre gerne noch weitermachen.