Unsere brandaktuellen CD-Kritiken Die Musik-Tipp4U für den März
„Stark wie wir“ heißt das neue Album von „Wolle“ Petry. Und stark präsentiert sich die deutsche Musiklandschaft tatsächlich im März. Zumindest wenn man nach unserer Musikauswahl geht, durch die sich wie ein roter Faden gleich mehrere Generationen deutscher Musikmacher ziehen. Von eben „Wolle“ Petry, Truck Stop, die ebenfalls schon 50 Jahre im Geschäft sind und Olaf der Flipper über NDW-Ikone Peter Schilling („Völlig losgelöst“) bis hin zu Element of Crime, Adel Tawil und AnnenMayKantereit. Immerhin zwei internationale Künstler schaffen es in unsere Liste: Macklemore, der mit „Ben“ um die Ecke biegt, und Welshly Arms, die uns mit erdigem Bluesrock begeistern. Viel Spaß!
Olaf der Flipper
Dankeschön
Ein Glück, dass es Ex-Flipper Olaf so gut geht. Sonst könnte man meinen, Telamo würde mit „Dankeschön“ ein posthumes Best-of veröffentlichen wollen. So gediegen schwarz und gedenkbildartig kommt das Album des Flippers daher. Dabei erfreut sich der 76jährige Magdeburger bester Gesundheit, die er im vergangenen Jahr sogar auf gigantischen Festivals für ein überwiegend junges Publikum demonstrieren konnte. Das lag am Überraschungserfolg der Flippers-Abschiedshymne „Wir sagen Danke schön“, die plötzlich viral ging und sogar eine Petition rund um eine Flippers-Reunion für Rock am Ring zur Folge hatte. So weit ist es (zum Glück?) nicht gekommen, dafür aber zum wiederholten „Dankeschön“, mit dem sich Olaf Malolepski nun auch im Tonträgergeschäft zurückmeldet. Gut möglich, dass er damit auch abseits des Schlagerzirkus wieder für Begeisterung sorgen kann …
Was bleibt, wenn man über lange Monate (und eigentlich Jahre) auf sich selbst zurückgeworfen wird, das können wir alle seit den einschneidenden Maßnahmen der letzten Jahre wahrscheinlich nachvollziehen. Insbesondere Künstler haben gelitten unter der fehlenden Möglichkeit, sich ihrem Publikum zu präsentieren, das ja doch oft wie ein Spiegelbild der Seele des Künstlers funktioniert. Insofern passt der Titel von Adel Tawils viertem Album wie – pardon – Hintern auf Eimer. Vier Jahre sind seit seinem letzten Album vergangen. Und doch ist „Spiegelbild“ ganz anders als alles, was wir von dem Singer-Songwriter bislang kennen. Noch immer gelingt es ihm hervorragend, seine (und unsere) Gefühle in Worte und Klänge zu kleiden. Aber die Innenwelten sind etwas düsterer geworden, zeugen von der Abgeschnittenheit, die Tawil gefühlt haben muss. Es ist wie so oft in der Musik: Aus Leid wird große Kunst geboren. Im Fall von „Spiegelbild“ das bislang beste Album des Berliners.
The BossHoss? Wahrscheinlich ohne die Pionierarbeit der Waterkant-Cowboys von Truck Stop kaum denkbar. Seit mittlerweile 50 (!!) Jahren machen sich die Trucker um Country in Deutschland verdient – ein Umstand, der sogar mit der Aufnahme in die US-amerikanische Country Hall of Fame belohnt wurde. Und längst nicht nur Cowboyhut- und Stiefelträgerinnen und -träger finden sich im Hitkosmos von Truck Stop wieder. Ob mit „Take it easy, altes Haus“ oder „Der wilde, wilde Westen“ – Truck Stop gehören längst auch zum deutschen Schlagerkosmos, dem sie als Gastmusiker für Stefan Raabs „Maschen-Draht-Zaun“ kurzzeitig sogar an die Spitze der Popcharts entflohen sind. Von der Urbesetzung ist zwar nicht mehr viel übrig, als Institution besteht man aber auch noch 50 Jahre nach der Gründung. Weshalb man das Jubiläum für einen üppig bemessenen Blick zurück nach vorn nutzt. Wir gratulieren!
Peter Schilling
Coming Home
Gar nicht mehr so weit weg von seinem 50. Jubiläum ist auch Peter Schilling, der als „Major Tom“ Deutschpop-, mindestens aber NDW-Geschichte geschrieben hat. „Völlig losgelöst von der Erde“ durfte er Anfang der 1980er-Jahre eine Art deutsche Version der legendären Figur von David Bowie geben und sich so zu einem der erfolgreichsten Vertreter der Neuen Deutschen Welle mausern. Dass er weit mehr als nur den einen Hit auf dem Kasten hat (und hatte), zeigt diese vier-CD-starke Sammlung zum 40. Jubiläum, auf der sich neben seinen zahlreichen Hits auf Deutsch und Englisch, jeweils im brandaktuellen Remaster, auch vier neue Songs in zwei Sprachversionen befinden. Außerdem das legendäre „Fehler im System“-Album, komplett remastert und ergänzt um rare Mixe, Liveversionen und Neuaufnahmen, ebenfalls auf Deutsch und auf Englisch. Für Fans des extraterrestrischen Stuttgarters eigentlich ein Muss.
Wolfgang Petry
Stark wie wir
Seit er sich vor knapp acht Jahren mit „Brandneu“ nach fast zehnjähriger Pause zurückgemeldet hat, ist Wolfgang „Wolle“ Petry stark wie nie. Auf Platz 1, 3 und 2 der Albumcharts brachten es seine Alben. Zuletzt „Auf das Leben“, das mit seiner „frohen“ Botschaft vielen seiner Fans Halt auch in schwierigen Zeiten gegeben haben dürfte. Mit den zwölf neuen Songs von „Stark wie wir“ meldet er sich aus dem musikalischen Lockdown endgültig zurück – gestärkt durch die Arbeit an einem Album, das mal wieder tiefe Einblicke in das Gefühlsleben des 71-Jährigen erlaubt. Als große Reise beschreibt Petry den Aufnahmeprozess, der ihn auch zu sich selbst (und damit auch wieder zu seinen Fans) geführt hat. Und die dürfen sich auf emotionale Ohrwürmer mit Gänsehautgarantie freuen.
AnnenMayKantereit
Es ist Abend und wir sitzen bei mir
Einmal bei Henning May auf dem Schoß sitzen, während er uns mit dieser Wahnsinnsstimme neue Songs vorträgt, dieser Traum wird mit „Es ist Abend und wir sitzen bei mir“ beinahe Wirklichkeit. Beim vierten Album der Kölner ist der Name quasi Programm. Während des gemeinsamen Jammens im Studio war man nämlich nicht unter sich, AnnenMayKantereit haben auch Freunde dazu eingeladen, dem Entstehungsprozess des Albums beizuwohnen. „Wir hatten wahnsinnig viel Lust darauf, dass Freunde zum Proberaum kommen und mit uns rumhängen, einen schönen Abend haben und schauen, was passiert.“ Passiert sind 15 wahrhaftig klingende Songs, die uns mitnehmen auf eine Reise in die Nacht und das Leben der Kölner Lieblingsband. Eine Einladung, die AnnenMayKantereit kaum jemand ausschlagen dürfte.
Element of Crime
Morgens um vier
Wenn einem die österreichische Schriftstellerin (und PEN-Sprecherin) Eva Menasse den Text für die Presseinfo zum neuen Album schreibt, dann ist man als Band wohl endgültig im literarischen Allerheiligsten angekommen. Wobei: Sven Regener sitzt dank reger (und fantastischer) eigener Schreibarbeit ohnehin schon länger im Oberstübchen der auch literarischen Intelligenzia Deutschlands. Dort setzt er sich auch mit seiner wunderbaren Band Element of Crime regelmäßig fest, als „Lebensgefühl, ohne das die Welt weder denk- noch aushaltbar wäre“, wie Menasse es schön umschreibt. Das gilt insbesondere für „Morgens um vier“, jene Zeit, in der sich die einen somnambul ins Bett und die anderen wieder schlaftrunken hinausbewegen. Womit ziemlich genau der Tonfall umschrieben ist, mit dem Regener und Co. uns an ihrer Reise durch die Welten unerwiderter Liebe teilhaben lassen. Schöööön!
Ganz schön lange ist es her, dass der auch schon bald 40-jährige US-Rapper sein letztes Soloalbum veröffentlicht hat. „Gemini“ liegt sechs Jahre zurück. Und trotzdem fühlt es sich – Liveauftritte und zahlreiche Features sei Dank – so an, als sei Macklemore nie weg gewesen. Mit „Ben“ veröffentlicht der ehemalige Ryan-Lewis-Partner sein erst drittes Soloalbum, auf dem neben dem Single-Vorboten „Chant“ unter anderem auch „Maniac“ (mit Windser-Feature) und „Heroes“ zu finden sind, für das er HipHop-Ikone DJ Premier gewinnen konnte. Ein neues Kapitel in seiner Karriere soll „Ben“ aufschlagen. Und wer weiß: Vielleicht ist es ja ein Zeichen, dass er dem Album den gleichen Titel gegeben hat wie seinerzeit ein gewisser Michael Jackson seinem zweiten Soloalbum. Vom „King of Pop“ ist Macklemore jedenfalls nicht allzu weit entfernt. Und „Ben“ wird seinen Ruf nur mehren …
Welshly Arms
Wasted Words & Bad Decisions
Die amerikanischen Bluesrocker haben ihren Ruhm nicht nur dem ein oder anderen Filmtrailer (u.a. Quentin Tarantinos „The Hateful Eight“) und populären Streamingserien („Sense8“, „Lucifer“) zu verdanken, sondern auch dem US-Wrestlingzirkus, der 2017 „Legendary“ zum offiziellen Theme-Song auserkoren hat und Welshly Arms so einen denkbar breiten Hörerkreis zuführte. Den ganz großen Durchbruch hatte das zwar noch nicht zur Folge, aber wer hat den heutzutage schon noch, wenn er weder besonders TikTok-affin noch instagramable ist. Dafür macht die Band aus Cleveland aber auch einfach zu ehrliche und erdige Musik. Nachzuhören auf dem mittlerweile dritten Longplayer, der ihren Ruf als ganz ausgezeichnete Bluesrockband wohl weiter steigern wird. Die Entscheidung für „Wasted Words & Bad Decisions“ dürfte für Freunde handgemachter Musik die richtige sein.
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