Unsere brandaktuellen CD-Kritiken Die Musik-Tipp4U für den Juni
Wenn wir die Gabriels und ihr souliges Meisterwerk mal kurz außen vor lassen, dann ist der Juni eine ziemlich nationale Angelegenheit in Sachen Pop- und Schlagerüberblick. Was nicht bedeutet, dass überall auch deutsch gesprochen werden muss. Milky Chance bedienen sich seit jeher (und insbesondere seit ihrem internationalen Überhit „Stolen Dance“) der Popsprache Englisch, Marquess versuchen es nach wie vor (und nicht immer grammatikalisch oder sprachlich korrekt) auf Spanisch. Sogar Apache 207 spricht so etwas wie seine eigene Sprache. Bleiben eigentlich nur Anna Loos, Grinsekatze Ross Antony und die Amigos. Die singen nach wie vor auf Deutsch. Und zwar so erfolgreich, dass sie die vorderen Ränge der Charts wahrscheinlich unter sich ausmachen. Eine Quote für deutschsprachige Popmusik? Brauchen wir nicht. Das regelt der Markt ganz offensichtlich tatsächlich von selbst. Viel Spaß beim Entdecken!
Schlager lügen nicht. Und Ross Antony erst recht nicht. Seit über 20 Jahren ist er im Musikgeschäft unterwegs, die letzten zehn davon in der glitzerbunten Welt des zumeist augenzwinkernden Schlagers, der den charmanten Briten endgültig in die Erfolgsspur zurückgebracht hat. Bis auf Platz 3 der Charts hat ihn „Willkommen im Club“ zuletzt geführt, warum also irgendwas ändern an einer Charm-Offensive, die ihm musikalisch und im TV so viele Sympathien eingebracht hat? Eben! Mit „100% Ross“ setzt Ross Antony neben seinem gewinnenden Lächeln und der knallbunten Optik abermals auf das, was er zu zweihundert Prozent am besten kann: Sich selbst präsentieren. Und seine Liebe zu einer Musik, die vor allem eines erreichen soll: Gute Laune verbreiten. Und das ist ihm auch diesmal wieder zu einhundert Prozent gelungen.
Seit über 20 Jahren ist Ross Antony im Musikgeschäft unterwegs
Auf „Angels & Queens“ in der Deluxe-Edition fügt sich zueinander, was zueinander gehört
Schon mit dem im vergangenen Jahr veröffentlichten ersten Teil von „Angels & Queens“ manövrierte sich das Soultrio aus Compton an die Spitze der Kandidaten zum Album des Jahres. Streng genommen durfte es dort noch gar nicht stehen – auch wenn Songwriting und Sound außergewöhnlich und außergewöhnlich soulful und deep waren. Schließlich ist die komplettierende zweite Hälfte erst in diesem Frühjahr erschienen – und jetzt endlich mit dem sieben Tracks starken Erstling vereint. Als hätten zwei bei der Geburt getrennte Geschwister wieder zusammengefunden, fügt sich auf „Angels & Queens“ in der Deluxe-Edition zueinander, was zueinander gehört. Zu einem emotionalen Punch, der aufrüttelt und umarmt zugleich. Jetzt können wir noch einmal über die Jahresbestenliste reden.
Anna Loos
Das Leben ist schön
Nachdem sie bis Ende 2016 Nachfolgerin von Tamara Danz als Frontfrau von Silly war, wagte Schauspielerin und Liefers-Gattin Anna Loos vor knapp vier Jahren den Schritt in die künstlerische Selbständigkeit. Den emotionalen „Werkzeugkasten“ hat sie damals schon mit vollem Erfolg zum Einsatz gebracht, jetzt erweitert sie ihn um ein paar zusätzliche Gerätschaften, um mit zwölf neuen Songs noch tiefer blicken zu lassen. Trotz der Rückschläge, die sie wie wir alle in den schwierigen zurückliegenden Jahren erleben musste, kommt sie dabei zu einem berührenden und mutmachenden Schluss: „Das Leben ist schön“. Und das, obwohl „Wenn es so nicht weitergeht“, „Schatten“ und „Steine auf meinem Glück“ deutlich machen, dass diese Erkenntnis (auch) aus Schmerz geboren ist. Nicht zuletzt deshalb darf es musikalisch durchaus auch mal härter werden – die Message trifft dennoch. Die meisten ihrer Fans wahrscheinlich mitten ins Herz.
Anna Loos kommt in ihren Songs zu einem mutmachenden Schluss: "Das Leben ist schön"
Seit 2006 hat Marquess neun Alben herausgebracht. Jetzt freuen wir uns auf ihr zehntes Werk "Energia"
Seit beinahe 20 Jahren vermitteln die Hannoveraner um Sänger Sascha Pierro den Eindruck, die Grenze zu Spanien verlaufe mitten durch Deutschland. Dabei ist er selbst Halb-Italiener, seine beiden Mitstreiter Christian Fleps und Dominik Decker vermitteln auch nicht gerade den Eindruck, an der Costa del Sol zur Welt gekommen zu sein. Dem Erfolg ihrer südländisch-souligen Pop-Exkursionen hat das keinen Abbruch getan. Mit bislang neun Alben seit 2006 hat sie ihr Weg regelmäßig in höhere deutsch Chartregionen getragen (dem erfolgreichsten mit „Frenetica“ auf Platz zwei 2008). Mit ihrem zehnten Werk „Energia“ wollen die drei Ü-50er nun daran anknüpfen. Gut möglich, dass ihr vorwiegend deutsches Publikum in den anstehenden Sommermonaten besonders aufnahmefähig in Sachen „Playa“- und „Companeros“-Romantik ist und so bei der Verwirklichung der Marquess-Pläne behilflich ist.
Amigos
Atlantis wird leben
Der Erfolg von Bernd und Karl-Heinz Ulrich als Amigos, er ist – darauf haben wir schon des öfteren hingewiesen – ohne eine kluge Veröffentlichungspolitik nicht denkbar. Seit Jahren schon suchen sie sich den in Sachen Veröffentlichungen extrem armen Jahresanfang und Sommerferienbeginn aus, um neue Alben oder Best-Ofs zu droppen. Und seit Jahren schaffen sie es in Ermangelung ernstzunehmende Konkurrenz damit auf Platz eins der deutschen Albumcharts. Das mag sie, wie immer wieder betont wird, erfolgreicher als die Beatles machen. Aber eben nur dann, wenn man den ersten Platz in einem Wettrennen mit einem Teilnehmer als echten Erfolg werten will. Die Bedeutung der Amigos für die deutsche Schlagerlandschaft wollen wir damit nicht schmälern. Seit über 50 Jahren machen die beiden ihre Fans glücklich. Und das wird ihnen auch mit „Atlantis wird leben“ gelingen. Zumal die Brüder mal wieder besonders viel „Leidenschaft, Herz und Liebe“ in die Produktion der neuen Songs gesteckt haben wollen. Man wird es ihnen danken. Mit Platz 1.
Amigos - das sind Bernd und Karl-Heinz Ullrich
Mit seinem Hit "Roller" hat er den unknackbar geltenden Chartrekord von „Last Christmas“ geknackt
Eigentlich unglaublich, wie weit es der Ludwigsburger Rapper in nur wenigen Jahren gebracht hat. Seit kurzen jedenfalls steht fest, dass sein „Roller“ den unknackbar geltenden Chartrekord von „Last Christmas“ geknackt hat, zudem hat ihm ein Streaming-Gigant unlängst eine eigene spielfilmlange Dokumentation spendiert. Da dürfte der vermeintliche Misserfolg von „2sad2disco“ vor knapp zwei Jahren nur ein kleiner Stolperstein gewesen sein. Schließlich hat Apache 207 zwischenzeitlich sogar Udo Lindenberg zu seiner ersten Nummer 1 in den deutschen Singlecharts verholfen. Album Nummer 3, „Gartenstadt“, steht jetzt ganz im Zeichen seiner Wurzeln – und eines Lifestyles, der dem seiner Berliner oder Hamburger Genrekollegen oft diametral gegenüberzustehen scheint. Volkan Yaman, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, kann nicht nur singen, sondern auch verletzliche Seiten zeigen. Und er bricht Klischées auf so einnehmende Art und Weise, dass ihn sogar ein HipHop-fernes Publikum lieben muss. Wir tun es auch!
Milky Chance
Living In A Haze
Eine Zeit lang musste man Angst haben um die zwei sympathischen Burschen aus Kassel. Mit „Stolen Dance“ und dem zugehörigen Album feierten sie auch international schier unglaubliche Erfolge und halfen Folktronica ein Stück weit mit auf die Chartlandkarte. Dann aber folgte die Entscheidung für ein Majorlabel und für Vermarktungsstrategien, die „Blossom“ och zum Erfolg verholfen bei „Mind The Gap“ aber nicht mehr wirklich verfangen haben. Der Schritt zurück zum kleineren Indie für Album Nummer vier ist deshalb nicht nur folgerichtig, sondern im Sinne einer künstlerischen Weiterentwicklung auch absolut sinnvoll. Produktionstechnisch unterstützt von Ausnahmemusikern wie Tobias Kuhn (Monta) und Sängerinnen wie Fatouama Diawara und Charlotte Cardin docken sie so in einer Zukunft jenseits von groß angelegten Vermarktungsstrategien und Erwartungen an. Und erfinden sich (endlich) ein Stück weit neu. Willkommen zurück!
Das sympathische Duo erfindet sich mit diesem Album ein Stück weit neu
Sponsored by Sony,Warner,Rough Trade
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