Zwei bunte Schallplatten, gelb und lila
Unsere brandaktuellen CD-Kritiken Die Musik-Tipp4U für den Juli 2024

Im Fußball stehen die altgedienten Ikonen mittlerweile an der Seitenlinie und trainieren ihre Nationalmannschaften. Und wenn sie das nicht tun, dann kommentieren sie fürs Fernsehen, warum die gerade laufende Europameisterschaft so einzigartig ist. Im Musikgeschäft ist das anders. Hier darf man bis ins hohe Alter (und sogar über den Tod hinaus) aktiv sein. Auch wenn sich beispielsweise Michelle jetzt, wo es am schönsten ist, aufs immer noch jugendliche Teil zurückzieht. Die Beatsteaks aber sind schon fast 30 Jahre im Geschäft, von Deep Purple und ihren mehr als 55 Jahren ganz zu schweigen. Und auch die „Bravo Hits“ gehören in die Kategorie „Oldie but Goldie“. Ihnen allen ist gemein, dass man ihnen ihr Alter nicht anhört und fast jeder musikalische Schuss immer noch ein Volltreffer ist. Und Johnny Cash? Der hat schon vor 14 Jahren posthum gesungen, dass kein Grab ihn aufhalten könne. Das hat er unseren großen Fußball-Ikonen definitiv voraus.

Michelle

Flutlicht

Als blonder Engel verzauberte Michelle die Schlagergemeinde bereits in den 90er-Jahren des letzten Jahrtausends. Nachdem sie 2022 mit „Das war’s … noch nicht!“ ihr 30-jähriges Jubiläum, insgesamt 15 Studioalben, zahllose Chartplatzierungen und Awards feiern durfte, hieß es im vergangenen Herbst dann doch: „Das war’s für mich.“ Und das, obwohl sie in Duettpartner Eric Philippi („Falsch dich zu lieben“) einen emotionalen Jungbrunnen gefunden hat und sich infolgedessen jünger und moderner präsentiert denn je.
 „Flutlicht“ soll nun tatsächlich ihren endgültigen Abschied von der Musikbühne markieren. Und wenn man ihren Ankündigungen glauben darf, dann legt Michelle ausgerechnet zum Ende ihrer eindrucksvollen Karriere ihr persönlichstes Album vor. „Ich habe mein ganzes Leben, alle Höhen und Tiefen in 16 Songs gepackt und kann es kaum erwarten, diese mit euch zu teilen“, verkündete sie ihren Fans in den sozialen Medien. Und weiter: „Ich wünsche mir, dass euch dieses Album genauso viel Halt gibt wie mir.“

Als blonder Engel verzauberte Michelle die Schlagergemeinde bereits in den 90er-Jahren
Als blonder Engel verzauberte Michelle die Schlagergemeinde bereits in den 90er-Jahren
Imagine Dragons
Loom
Imagine Dragons springend auf einem Hügel
Die Band aus Las Vegas ist längst selbst zum Klassiker und Stadionmagneten avanciert

Eben noch hatten wir das Gefühl, die Imagine Dragons würden die von MGMT losgetretene Psychedelic-Indie-Rock-Pop-Welle totreiten, da sind es auch schon wieder zwölf Jahre seit „Radioactive“ und „It’s Time“. Und die Band aus Las Vegas ist längst selbst zum Klassiker und Stadionmagneten avanciert, der nach dem Zweiakter „Mercury“ mit „Loom“ nun sein sechstes Album veröffentlicht. Das wurde wieder komplett von den Dragons gemeinsam mit Mattman und Robin produziert und bietet – wenn das überhaupt möglich war – eine noch poppigere und zugänglichere Version ihres erprobten Dream- und Surf-Sounds, der hier und da um pumpende Hip-Hop-Sounds („Eyes Closed“) aufgefrischt und weitergedacht wird. Neun Songs (zu „Eyes Closed“ gibt es eine zweite „Feature“-Version mit J Balvin) sind so entstanden. Und damit genug Material für ein neues „House of the Dragons“ auf den diesjährigen Sommerfestivals.


Johnny Cash
Songwriter

Einer ganz neuen Generation von Musikfans ist Johnny Cash erst durch die Arbeit mit Starproduzent Rick Rubin in den frühen 1990er-Jahren bekannt geworden. Von den vielen Jahrzehnten zuvor zeugten oft nur „I Walk The Line“ und sein legendärer Auftritt in San Quentin. Aber die „American Recordings“ mit seinen oft geisterhaften Neueinspielungen moderner Song- und Rockklassiker bescherten ihm einen späten zweiten Frühling. Über den er ganz offenbar vergaß, ein Album mit eigenen Songs zu veröffentlichen, das er 1993 eigentlich fast fertiggestellt hatte. Nun – bald 20 Jahre nach seinem Tod und rund 30 nach den „Songwriter“-Aufnahmen – erscheinen die Songs doch noch. Dank seines Sohnes John Carter und des langjährigen Cash-Produzenten David Ferguson, die die elf Songs überarbeitet und nun zur Veröffentlichung freigegeben haben. Keine weiteren „American Recordings“ wohlgemerkt, sondern klassischer Cash-Country-Sound, der für seine Fans natürlich einem späten Geschenk gleichkommt. 

Band Johnny Cash in schwarz-weiß zu sehen mit seinen Bandkollegen am Proben
Bereits 1993 produziert wird das Album 30 Jahre später veröffentlicht
Deep Purple
=1
Fanartikel in schwarz/ weiß
So jung wie auf „=1“ haben die Altrocker lange nicht mehr geklungen

Nachdem „Turning To Crime“ 2021 ausschließlich mit Coverversionen beglückte, melden sich die absolut nicht totzukriegenden britischen Hardrock-Legenden um Ian Gillan und Ur-Drummer Ian Paice mit dem ersten neuen Material seit „Whoosh!“ von 2020 zurück. Dass sich Gillan dabei schön langsam seinem 80. nähert, ist dabei ebenso wenig zu merken wie die Tatsache, dass man in unterschiedlichen Formationen bereits seit mehr als 55 Jahren im E-Gitarren-Geschäft ist. Im Gegenteil: So jung wie auf „=1“ haben die Altrocker lange nicht mehr geklungen. Und das, obwohl sie seit Langem auch wieder so klingen wie in den 1970ern. Geschafft hat dieses Kunststück Produzent Bob Ezrin, der für das 23. Deep-Purple-Album das Gestern mit dem Heute verschmilzt und es so zu einem späten Highlight im Bandkatalog werden lässt. Das es natürlich wieder in zahlreichen Versionen zu erstehen gibt.


Beatsteaks
Please

„Die Welt ist beschissen genug“, findet Beatsteaks-Sänger und -Gitarrist Arnim. Und wahrscheinlich hat er recht damit. Um es sich selbst und uns ein wenig leichter zu machen in diesen Zeiten, hat die Band sich deshalb nicht mehr länger bitten lassen und nach sieben sehr langen Jahren ein neues Album eingespielt. „Unsere Aufgabe ist es, den Menschen etwas Schönes zu bringen, sie mit unserer Musik glücklich zu machen.“ Und dafür kann man die Luxusprobleme, die die Beatsteaks sicher auch ein wenig umgetrieben haben, ruhig hintanstellen. Stattdessen: Spannung, Lärm, Spaß, maximale Bewegung – und das nicht auf engem Studioraum, sondern gleich direkt im Berliner Columbia Theater. Zum Räume-Öffnen quasi. Zum Sound-auf-Anschlag-Bringen. Und für das aufregende Livegefühl, das sich schon beim Einspielen (und Hören) des Albums einstellt. „Please“, das sind die Beatsteaks, wie sie sonst nur live klingen – von der Vorabsingle „Detractors“ bis zum letzten der elf neuen Songs. Was kommt noch mal vor „Bitte“? Genau: „Danke“, liebe Beatsteaks! Und jetzt: weitermachen!

Die Band Beatssteaks
„Unsere Aufgabe ist es, den Menschen etwas Schönes zu bringen, sie mit unserer Musik glücklich zu machen.“
Bravo Hits 126
Die Band Provinz
Mit ihrem EM-Hit „glaubst Du“ auf dem Weg nach ganz oben und deshalb ein echter BRAVO-Hits-Kandidat: Provinz.

Alle drei Monate wieder – und das nun schon so lange, wie die meisten von uns denken können – bringen uns die „Bravo Hits“ auf den neuesten Stand in Sachen aktuelles Chartgeschehen. 1992 haben sie das zum ersten Mal gemacht – vor mehr als 30 Jahren also. Und damit mehr als 120 Mal den Sprung an die Chartspitze geschafft. Wahrscheinlich gelingt das auch mit Ausgabe 126 wieder. Und das, obwohl eine CD-Compilation in Zeiten von Spotify-Playlisten und Youtube gar nicht mehr so gut funktionieren dürfte. Dass sie das doch tut, liegt an vielen nostalgischen Fans der Reihe. Und daran, dass sich die Sampler hervorragend zur Partybeschallung eignen. Außerdem als Archiv für alle, die irgendwann zurückblicken wollen und 2035 noch einmal die Doppel-CD herauskramen für ein nostalgisches Chartfest der Superlative. 

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